Papyrus Basel

1983 wurde von Frau CHRISTIANE MUSCHTER ein interessanter Text über die in der Innenstadt von Basel domizilierte Papeterie Papyrus zum 150 jährigen Jubiläum verfasst. (*Quelle am Ende des Textes).

Ich habe mir erlaubt, den Text mit Fotos von eigenen Papyrus-Exponaten zu untermalen. 

 

Papeterie seit anderthalb Jahrhunderten

«Papyrus? Jo, mir händs», hiess es, als ich am Domizil der Papyrus AG Basel, Freie Strasse 43, nach diesem historischen Schreibmaterial fragte. Tatsächlich, im Jubiläumsjahr gab die Basler Firma ihrem Namenspatron - die alten Ägypter stellten schon vor 1500 vor Christi Geburt Papyrus aus einer Schilfart her - die Ehre.

Papyrus und elektronische Schreibmaschinen - welche gewaltige technische Entwicklung steht zwischen diesen Utensilien! Allein schon das grosse Sortiment der Papyrus AG - 20 000 Artikel - veranschaulicht die Veränderungen, die sich im Laufe der 150 Jahre ihres Bestehens ergeben haben, Vieles, was unsere Eltern und Grosseltern früher in einer Papeterie kauften, ist von der Bildfläche verschwunden und ziert allenfalls Museen und Sammlungen, zum Beispiel Reisetintenfässer, Eisengallustinte, Gänsekielfedern, Federn mit fünffachem Einschnitt zum Linieren von Notenpapier oder Heliographiepapier. Auch Fliegenpapier wird man heute umsonst hier suchen. Aber mancher Artikel, von dem man meint, er sei aus dem Angebot verschwunden, wird noch verlangt und darum bei Papyrus geführt: Schiefertafeln (in Gebrauch zwar nicht mehr bei ABC-Schützen, aber bei Jass-Freunden), Schreibgriffel (früher in vier Härtegraden, heute nur noch in einem erhältlich), Stahlfedern und Federhalter (für die Ausbildung im graphischen Sektor), Klemmbinder, Weiden-Papierkörbe, Siegellack ...

Früher viel gefragt für private Zwecke waren Stahldrucke, und bei Papyrus widmeten sich erfahrene Fachleute diesem rein manuellen, arbeitsaufwendigen Verfahren. Auch heute noch werden Stahldruckaufträge entgegengenommen, nur erfolgt die Herstellung nicht mehr im eigenen Hause.

 

Mehr als ein Papierladen

Geschäftsbücher, Schulhefte und vieles andere wurden früher ebenfalls von der Papyruseigenen Buchbinderei in Mengen fabriziert. Heute beschränkt sich diese auf Einzelanfertigungen. Nach wie vor aber werden Stempel und Drucksachen angefertigt, Passepartouts geschnitten und Doktorarbeiten gebunden. Die Papyrus AG ist, wie das so vielfältige Sortiment, die Büromöbel-Abteilung im 2. Stock des Geschäfts an der Freien Strasse und die Kundendienst-Arbeiten zeigen, mehr als ein „Papierladen“. Einen jüngeren Zuwachs stellen die sogenannten Alternativartikel dar. Als Warenhäuser und andere Geschäfte mehr und mehr „Brotartikel“ der Papierwarenbranche - Hefte, Couverts, Ordner, Servietten usw. - zu führen begannen, räumte man bei Papyrus den Alternativen einen Platz ein. Die Phantasie-Boutique am Domizil der Firma fand Anklang. Hier findet der Kunde ein reiches Angebot an hübschen, handwerklich gediegenen Dingen, Keramik etwa und Spielzeug, und in erstaunlicher Mannigfaltigkeit präsentieren sich Schachfiguren.

Heute 20 000 Artikel im Sortiment, und angefangen hatte es mit lediglich drei Dutzend. Mit diesen eröffnete am 1. Juli 1833 im Haus zur grossen Sonne“ an der Freien Strasse (heute Nr. 19) der Buchbinder und Futteralarbeiter Johann Georg Wölfflin eine Buchbinderei und Papierwarenhandlung. In den Wöchentlichen Nachrichten aus dem „Berichthaus zu Basel“ empfahl er «dem verehrlichen Publikum» sein «wohl assortirtes Waarenlager, bestehend in allen möglichen Sorten gefärbter Papiere, Schreib-, Post- und Zeichnungs-Papiere, superfeinem Papier à calquer, einer grossen Auswahl schwarzer und kolorirter Bilderbogen, Stammbuchblätter, Brieftaschen, Gesangbücher, Schreib-Bücher, Schreibfedern, Bleystifte, Siegellack, Oblaten, Conté-Kreide» und anderem, und «vorzüglich» machte er auf seinen nach «neuester Art» eingerichteten Linierapparat aufmerksam.

 

Anzeige von 1922
Anzeige von 1922

Der Gründer wurde Verleger

Der unternehmungslustige Johann Georg Wölfflin-Freyvogel, übrigens ein Verwandter des Philologen Eduard Wölfflin und des bedeutenden Kunsthistorikers Heinrich Wölfflin, begab sich bald auf ein neues Gebiet: Von 1839 an verlegte er das „Tagblatt der Stadt Basel“, das er bis 1848 auch selber redigierte. Dieses Blatt fusionierte 1862 mit dem Schweizerischen Volksfreund“, dem Vorläufer der „National-“ und heutigen „Basler Zeitung). Seine umfassenden Verleger- und Redaktionspflichten veranlassten Wölfflin 1843, seine Buchbinderei und Schreibmaterialienhandlung seinem Gesellen Franz Wiessler zu verkaufen. Dieser verlegte das Geschäft an die Greifengasse und verkaufte es 1851 an Johann Heinrich Fischer-Grunauer. Dieser wie Wiessler aus Deutschland stammende «thätige und fleissige junge Mann» zog mit dem Geschäft wieder ins Grossbasel um, an die Schneidergasse. Der Buchbinderei gliederte er nicht nur die Papeterie an, sondern etwas später auch eine „Buch-, Kunst- und Antiquarien-Handlung“, mit der er sich nicht nur für den Verkauf von Photographien aus den besten Ateliers empfahl, sondern auch - man höre und staune - für den von „Original-Ölgemälden älterer Meisten, darunter Murillo, Velasquez und Dürer.

1886 teilte Fischer das Geschäft. Für sich behielt er lediglich die Buchbinderei und verlegte sie an den Gemsberg 7. Die Papeterie überliess er seinem Sohn Samuel Fischer-Baur, der mit Emil Karl Gonin eine Geschäftsverbindung einging und mitteilte: «... werden wir uns auch ganz speziell zu vorteilhafter Bedienung der verehrlichen Bureaux sowie für den Papiergrosshandel einrichten». Nachdem Gonin 1890 ausgeschieden war, liess Samuel Fischer das «E.E. Publikum» wissen, er werde das «Papeterie-Geschäft Gros und Detail» allein weiterführen und «treu den Prinzipien des Gründers nur Reelles zu möglich billigen Preisen» bieten, «verbunden mit aufmerksamster und promptester Bedienung». In klarer Erkenntnis der zunehmenden Bedeutung zweckmässiger Büroeinrichtungen eröffnete er 1898 in der Aeschenvorstadt eine „Spezial-Filiale für Bureau-Fournituren“; die Papeterie verlegte er 1902 in die Freie Strasse 9, wo er auch die Büromöbel-Abteilung unterbrachte.

 

Eine der ersten Basler Betonbauten

1911 zog die Firma in ihr heutiges Domizil, das Haus „zur rothen Fahne „, Freie Strasse 43. Das unter diesem Namen erstmals 1348 erwähnte Haus hatte im Verlauf der Korrektion der Freien Strasse abgerissen werden müssen. In Voraussicht der zukünftigen Bedeutung dieser Strasse als einer Hauptader des Basler Geschäftslebens hatte Wilhelm Senft-Bratteler, damals Prokurist von Samuel Fischer, die Liegenschaft gekauft und durch das Architekturbüro Suter & Burckhardt neu überbauen lassen. Dieses Haus besitzt nun auch schon historische Bedeutung: Es ist eine der ersten Betonbauten in Basel und erregte seinerzeit die Aufmerksamkeit der Fachwelt. In diesen Neubau also zog Samuel Fischer mit seinem Geschäft als Mieter seines Mitarbeiters ein. Wilhelm Senft war 1887 als 16jähriger Lehrling in die Firma eingetreten. Sein Patron hatte den tüchtigen jungen Mann auf seine Kosten zur weiteren Ausbildung nach Paris geschickt und nach seiner Rückkehr mit der Leitung der Filiale an der Aeschenvorstadt betraut.

 

Seit 1920 in Familienbesitz

 

Als Samuel Fischer 1920 in den Ruhestand trat, erwarb Wilhelm Senft seine Firma und wandelte sie in eine Aktiengesellschaft, die „Papyrus AG Basel“, um.Seither ist diese in Familienbesitz. In die Spuren der erfolgreichen Tätigkeit ihres Vaters traten 1933 bzw. 1938 die beiden Söhne Peter Willy und Paul Werner Senft, und seit 1965 gehört mit Christian Hanns-Peter Senft bereits die dritte Generation der Firmenleitung an. Die Kriegs und Krisenjahre sind an der Papyrus AG nicht spurlos vorübergegangen. Aber in der Tradition und Zuversicht weitblickenden Unternehmergeistes gelang es der Firmenleitung noch stets, aus den jeweiligen Erfordernissen der Zeit Fortschritte resultieren zu lassen. So erfuhr zu Beginn der vierziger Jahre die Büromöbel-Abteilung eine Reorganisation nach modernsten Prinzipien.

Die Tatsache, dass vergleichsweise früh, nämlich 1946, eine Fürsorgeeinrichtung für das Personal, die „Stiftung der Papyrus AG“, ins Leben gerufen wurde, spricht für die soziale Aufgeschlossenheit des  Familienunternehmens.

 

Pappschachtel für Füllfederhalter. 

1954 konnte die Firma im aufstrebenden Kleinbasel eine Filiale am Claraplatz 2 - „Papyrus im Glaibasel "- eröffnen, und zur möglichst raschen Bedienung der Kunden sowie zur Behebung der Platznot im Hauptgeschäft drängte sich der Bau eines Lagerhauses auf, der denn auch 1964 in Muttenz erfolgte. Nachdem das Geschäft an der Freien Strasse schon 1953 eine gänzliche Neugestaltung erfahren hatte, wurden die Ladenräumlichkeiten 1969/70 erneut erweitert und modernisiert. Nicht zuletzt galten diese Massnahmen der Umstellung auf den Sichtverkauf. 

Ihr 150jähriges Bestehen nahm die Papyrus AG Basel zum Anlass, hausinterne sowie in den Vitrinen der ehemaligen Handwerkerbank originelle Ausstellungen zu veranstalten. Wissenswertes und Amüsantes konnte der Betrachter daraus erfahren - aber auch den Stolz der Jubilarin auf das mit Erfolg Erreichte und Bewahrte, auf die Kontinuität gesunden Untemehmergeiste und Tradition daraus ablesen. In solchem Geiste wird liebevoll die „Firmenbibel“ gehütet und à jour gehalten: ein Band mit sorgfältigen Aufzeichnungen über die Geschichte der Firma, deren Inhaber sowie des Hauses „zur rothen Fahne“.


*Quellenverzeichnis und Nutzungsbedingungen

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Und heute?

Nachdem die Papeterie Papyrus sich mit zwei andere Traditionsunternehmen in Basel - der Papeterie Thiel und der Papeterie Rebetez - vereinigt hatte, wurde sie im Jahr 2002 von der Papeterie Waser übernommen. Die Firma Waser Shop wiederum wurde 2014 von der Papeterie Zumstein AG aufgekauft.

Noch heute ist die Papeterie Zumstein in derselben Liegenschaft an der Freie Strasse 43 domiziliert. Nur schon die architektonisch spezielle Liegenschaft mit dem besonderen Treppenhaus, welches linear in einem Zug sämtliche 5 Stockwerke verbindet, ist ein Besuch wert. Nebst Papeterie, Bürobedarf und Künstlerabteilung befindet sich dort auch eine umfassende Schreibgeräteabteilung.