Swiss Waterpen

THE SWISS WATERPEN

Als ich die Swiss-Pen-Website erstellte, musste dieser „Swiss Waterpen“, alleine seines Namens wegen, selbst sprechend auch drauf. Leider war er in einem desolaten Zustand. Der Deckel war geschrumpft, deswegen wohl auch der Zierring abgefallen (und verschollen), sowie der Schaft verzogen. Sprich ein ziemlicher Totalschaden, der letztlich dazu führte, dass ich mich nicht weiter um ihn bemühte. 


Nun bin ich aber auf ein zweites, funktionierendes Exemplar gestossen, dass sogar noch mit einem ganzseitigen (!) Zeitungsinserat aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ von 1951 und einem viersprachigen Faltprospekt ergänzt war. Hier der „neue“ Waterpen:

 

 

 

 

 

So sieht er zerlegt aus.

 

 

 

 

 

Speziell ist der mit dem

Tintenleiter verbundene Stift:

Auf den ersten Blick handelt es sich um einen klassischen Kolbenfüller, allerdings ist der Kolben bei diesem Exemplar etwas anders, wie beim oberen Modell (vermutlich ist das obere Modell eine Vorgängerversion). Gemäss Beschreibung benötigt dieser Füller keine Tinte, sondern nur Wasser. Die Tinte – als Konzentrat – war im Kolben gelagert.

 

Der ganze Kolben (rot) inkl. Gewinde war also ein Reservoir, aus welchem das Tintenkonzentrat floss. Zog man frisches Wasser in den Tintenraum, öffnete sich das Reservoir an den Stellen, wo der Stift (grün) schmäler ist, das Konzentrat floss in den Tintenraum, wo es sich mit dem Wasser vermengte. Schraubte man den Kolben weiter nach oben, schloss das dickere Teil des Stiftes das Reservoir wieder ab. 

Für diese als „Sensation“ von der Firma Max Hungerbühler (St.Gallen) angepriesenen „Füllhalter schweizerischer Provenienz“, wurden verteilt über die ganze Schweiz „SWISS WATERPEN-Servicestellen“ eingerichtet. Dort war es möglich, sich den Tintenkonzentrat-Behälter, wenn er leer war, umgehend ersetzen zu lassen. Hierzu wurde in den Papeterien der gesamte Kolben ausgebaut und durch einen neuen ersetzt. Es kann aber auch sein, dass die Kolben wieder aufgefüllt wurden. Auf alle Fälle aber ist dieser umfangreiche Prozess wohl der Grund, weshalb sich diese „Sensation auf dem Füllhaltermarkt“ nie wirklich durchgesetzt hat.

 

Hier die Textauszüge aus dem Zeitungsinserat: 

 

SWISS WATERPEN ist das Endergebnis einer jahrelangen Entwicklung - Wie er heute ist, dürfte er als grösste umwälzende Neuerung auf dem Gebiete der Füllfederhalter gelten - Die Abhängigkeit vom Tintenfass ist heute gelöst, was einen enormen Erfolg in der Entwicklung vom Federkiel hin zum heutigen Füllhalter bedeutet - Der Erfinder des WATERPEN hat schon vor vielen Jahren seine Patente in allen Kulturstaaten angemeldet.

  

SWISS WATERPEN füllen Sie überall unabhängig von der Tintenflaschen mit gewöhnlichem Wasser - Sie schreiben mit bester Tinte, die die gleichen Eigenschaften üblicher Tinten aufweist, sei es auf Reisen, in den Ferien, im Flugzeug, in der Bahn oder wo Sie gerade sind.

 

 

Das Attest der Schweiz. Materialprüfungsanstalt bestätigt, dass bis zu 70mal Wasser gefüllt und mit einwandfreier Tinte geschrieben werden kann - In der ganzen Schweiz ersetzen Ihnen WATERPEN-Servicestellen sofort das Tintenkonzentrat - Selbstverständlich können Sie auch gewöhnliche Füllhaltertinte nachfüllen - Die Füllung erfolgt wie beim gewöhnlichen Füllhalter - WATERPEN ist nicht nur mit einer genialen Neuerung versehen, sondern weist, trotzdem er nicht teurer als andere Marken, folgende Eigenschaften auf:

 

 

Die Goldfeder ist der wichtigste Teil eines Füllhalters. Jahrelange intensive Anstrengungen erlauben heute in der Schweiz, dem Lande der Präzisionsindustrie, Goldfedern herzustellen, die zu den besten der Welt gehören.

Mit dem Erwerb eines SWISS WATERPEN kommen Sie In den Besitz einer mit besonderer Sorgfalt hergestellten, grossen und dadurch elastischen 14-Karat-Goldfeder schweizerischen Ursprungs.

In der Preislage ab Fr. 35.— ist die Goldfeder mit echt Platin belegt, was ihr eine besondere Schönheit und Eleganz verleiht. Alle Goldfedern sind mit einer minutiös aufgeschweissten Osmi-Iridium-Spitze versehen, die einer jahrzehntelangen stärksten Beanspruchung standhält.

Lassen Sie sich im Fachgeschäft einen SWISS WATERPEN vorlegen und achten Sie speziell darauf, wie wundervoll weich und leicht die elastische, mit besonderer Kunst geschliffene Goldfeder über jedes Papier gleitet.

 

 

Es fällt auf, dass der Textanteil des Inserates der sich auf die Feder bezieht, sehr ausführlich ist. Deshalb nochmals zurück zur „Sphinx-Feder“:

 

Der Waterpen war nicht nur mit einer Sphinx-Feder bestückt,

dem Lot angefügt war ebenfalls diese 115 x 17 mm grosse Beilage.

 

Nun gab es tatsächlich in Nürnberg eine Firma mit Namen „Sphinx Füllhalterfabrik Georg Linz & Co.“, die haben aber nach aktuellem Wissensstand keine eigenen Federn hergestellt. Somit ist es möglich, dass Max Hungerbühler die Federhalter dort eingekauft hat, aber die Federn selber hergestellt oder herstellen hat lassen. Diese Annahme beruht auf der Erkenntnis, dass Max Hungerbühler eng mit einem Walter Lengweiler zusammen arbeitete:

Der in Kreuzlingen TG ansässige Lengweiler hatte bereits 1936 eine Vertretung für Füllhalter (u.a. der Marken „National“, „Donar“ und „Tintenkuli“).

 

Für die Marke National war er von der „Deutschen Füllhalter-Werke GmbH“, München (vorm. Deutsch-Amerikanische Füllhalter-Werke) als Generalvertreter eingesetzt.

 

1944 verlegte er seinen Firmensitz an die Poststr. 16 in St. Gallen. Mittlerweile war die Marke National, mit ähnlichem Logo, um die Namen „International“ und „Global“ ergänzt (später kam auch noch die Marke „Mondial“ dazu. Ebenfalls erscheint im Handelsregister ab 1948 die Geschäftsnatur der Firma Walter Lengweiler als: „Fabrik für Füllhalter und Goldfedern“ respektive „Goldfedernfabrik und Füllhalter en gros“. 

 

Von Hungerbühler seinerseits ist in den Jahren 1950 und 1951 folgendes zu finden:

 

Im März 1950 wurde gem. Handelsregister St. Gallen die Plumor AG gegründet; welche die Warenvorräte, Maschinen und Werkzeuge von Walter Lengweiler übernimmt. Der Verwaltungsrat besteht aus Walter Lengweiler und Traugott Dierauer. Das Geschäftsdomizil befindet sich an der Bahnhofstrasse 4a.

 

Im März 1958 heisst es dann:

Plumor AG., in St. Gallen, Fabrikation und Engrosvertrieb von Goldfedern für Füllhalter usw. Walter Lengweiler ist als Präsident des Verwaltungsrates zurückgetreten, bleibt aber weiterhin Mitglied. Seine Unterschrift ist erloschen. Neu wurde in den Verwaltungsrat als Präsident mit Einzelunterschrift gewählt Max Hungerbühler, von Sommeri (Thurgau) und St. Gallen, in St. Gallen.

 

Somit ist der Bezug von Hungerbühler und Lengweiler hergestellt. (Auch lässt sich damit vielleicht erklären, weshalb es Global-Füllfederhalter mit swiss-made-Global-Goldfedern gibt).

 

Ich werde die Geschichte von Hungerbühler und Lengweiler zu einem späteren Zeitpunkt auf dieser Webseite noch etwas genauer beleuchten. 

 

Auch die Geschichte der Plumor AG von 1950 bis heute werde ich noch vertiefen. Vom heutigen Inhaber der Plumor, Herr Grunauer, durfte ich (neben wichtigen Informationen und anderen Exponaten) den Swiss Waterpen und die Schriftstücke entgegen nehmen. Dafür herzlichsten Dank.

 

Max Grunauer sicherte sich anno dazumal die Exklusivrechte für die Schweiz an der japanischen Marke „PILOT“. Die heutige Plumor AG hat nach wie vor die Generalvertretung inne. Deshalb hier noch eine Anmerkung über "PILOT" für Menschen die sich an modernen Füllfederhaltern erfreuen (auch damit schreiben) und trotzdem einen historischen Bezug haben möchten:

 

1918 gründete Ryosuke Namiki das Unternehmen, damals noch unter dem Namen NAMIKI. Dieser wurde im Jahr 1938 zu PILOT geändert. Mit über 2500 Mitarbeiter ist PILOT erfreulicher Weise auch heute noch auf dem Markt und weltweit vertreten. Eine Spezialität war damals wie heute, die japanische Lackierkunst Maki-e, mit welcher die Oberflächen der Füllfederhalter behandelt werden. Wörtlich übersetzt bedeutet Maki-e «besprenkeltes Bild», weil zum Beispiel feinste Goldpartikel auf die Oberfläche gesprenkelt werden. Während des Gestaltungsprozesses wird mit speziellen japanischen Lacken eine Vielzahl von Lagen aufgetragen und im Anschluss mehrfach poliert. Daraus entstehen unterschiedlichste Designs.

Auf der Webseite von Pilot-Namiki wird sehr schön dargestellt, wie so kleine Füllfeder-Kunstwerke entstehen.